Wie wirken und was bewirken erfolgreiche Führungsstrategien? Die Hirnforschung liefert nicht nur Erklärungen, sondern auch wirkungsvolle Ratschläge.
Jahrzehntelang wurde die Diskussion über die Entwicklung und Bewertung von Führungsstrategien ausschließlich von Soziologen und Psychologen geführt. Nun nimmt auch die Hirnforschung an dieser Debatte teil und bringt qualitativ neuartige Argumente in den Diskurs. Neuropsychologische Erkenntnisse können belegen, warum manche Konzepte funktionieren, andere nicht, und welche Aspekte unbedingt beachtet werden sollten.
Das Rahmenkonzept: Müssen, Können, Wollen und Dürfen
Diese vier Modalverben stellen die Rahmenbedingungen einer jeden Interaktion zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter dar, unabhängig davon, auf welcher Ebene des Firmenorganigramms man sich befindet. Wie man bald erkennen wird, ist die genannte Reihenfolge dieser vier möglichen Zustände nicht zufällig gewählt.
Nur in sehr seltenen Ausnahmefällen hat ein Arbeitnehmer die Freiheit, die Aufgaben und Ziele selbst bestimmten zu dürfen. Im Regelfall werden sie von anderen, letztlich von der Firmenleitung und den Mitgliedern des Vorstands festgelegt und entlang des Firmenorganigramms weitergeleitet. Ohne an der Diskussion, Auswahl und Formulierung beteiligt zu sein, müssen Mitarbeiter also bestimmte Dinge tun.
Der Status quo: Wirkungslose Strategien
Hauptsächlich zwei Gewichte lasten auf den Führungsebenen der Unternehmen: Das eine Gewicht ist die zunehmende Anzahl der juristischen Anforderungen wie beispielsweise ISO-Normen, Normbasierte Standards und die vielfältigen Compliance-Varianten, und das andere Gewicht ist die nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzsituation. Als Reaktion auf diese belastenden Bedingungen kam es bei zahlreichen Konzernen zu Veränderungen von Strukturen, Regeln und Umgangsformen, die letztlich zum Ziel haben, dass die Mitarbeiter auf korrekte Weise mehr Gewinn für das Unternehmen erwirtschaften. Die verschiedenen Veränderungen weisen einen gemeinsamen Ansatz auf: die konsequente Umsetzung eines de-emotionalisierten Pragmatismus, also die Umsetzung eines von Emotionalität befreiten, sachlichen und lösungsorientierten Ansatzes. Allein der Austausch des Begriffs „Personalwesen“ durch den Terminus „Human Resources“ ist bezeichnend für das gesamte Spektrum der vermeintlichen Korrekturmaßnahmen und angeblichen Anpassungen an die veränderten Rahmenbedingungen.
Theoretisch betrachtet und völlig unabhängig von der Art des Unternehmens besteht der berufliche Alltag eines jeden Mitarbeiters darin, die ihm gestellten Aufgaben zu erfüllen und die ihm gesetzten Ziele zu erreichen.
Die Funktion eines Vorgesetzten besteht darin, dafür so sorgen, dass seine Mitarbeiter diese Aufgaben möglichst effektiv und effizient erfüllen.
Dieses Grundkonzept gilt durch alle hierarchischen Ebenen hindurch, bis hin zur Ebene der Konzernleitung. Allerdings erfüllen die personalverantwortlichen Vorgesetzten diese Funktionen nicht gleichermaßen gut, und die Mitarbeiter reagieren auf das Verhalten ihres Vorgesetzten nicht auf die gleiche Weise.
Es ist daher leicht nachvollziehbar, dass große Anstrengungen unternommen werden, dieses spezielle soziale System zu analysieren und zu optimieren. Seit den 1950er Jahren wird die Interaktion zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitern von Soziologen, Psychologen und Wirtschaftswissenschaftlern systematisch untersucht, und aus den Untersuchungsergebnissen wurden seitdem zahlreiche verschiedene Führungsstrategien entwickelt.
Sie alle haben ihre Vorzüge und Nachteile, doch eine perfekt funktionierende Strategie konnte bis jetzt nicht hervorgebracht werden.
Die Hirnforschung ist nun die erste Naturwissenschaft, die sich an der Erforschung dieser Interaktionen beteiligt, und die
mit neuartigen Argumenten an der Diskussion um die wirkungsvollste Führungsstrategie teilnimmt.
Mit ihren Erkenntnissen ermöglicht die Neuropsychologie erstmals eine rein pragmatische, von zeitgenössischen Ansichten und
Strömungen unabhängige Sichtweise auf die Problematik.